Kindergrundsicherung als Zukunftsinvestition verstehen
Alljährlich gehört es bei der Aufstellung des Bundeshaushalts dazu, dass der Blick auf den Anteil der Investitionen am Gesamthaushalt gerichtet wird, die sog. Investitionsquote. Das Gegenstück sind die konsumtiven Ausgaben, denen in wirtschaftsliberalen Diskursen mitunter der Beigeschmack des Geld-Verpulverns anhaftet. Investitionen werden jedenfalls zumeist positiv mit der Zukunft des Landes verknüpft, da die Gesellschaft durch sie künftig gesünder, widerstandfähiger oder wirtschaftlich stärker werden soll. Steigt die Quote, verweisen Koalitionäre und der Finanzminister üblicherweise voller Stolz darauf.
Wie Investitionen genau von anderen Ausgaben abgegrenzt werden, ist in der Bundeshaushaltsordnung in §13 Abs. 3 zwar klar definiert. Baumaßnahmen fallen z.B. darunter. Diese formale Definition greift allerdings zu kurz. Denn darunter fallen z.B. weder ein großer Teil der Bildungsausgaben in Form von Lehrer*innen-Gehältern, noch die Kindergrundsicherung. Dabei erfüllen beide das landläufige Verständnis einer staatlichen Investition, indem sie künftig einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Positive Renditen für Ausgaben im Bildungssektor sind gut belegt: Je nach Studie variiert die sogenannte fiskalische Bildungsrendite von mittleren einstelligen %-Werten bis über 20%. Wirksam wird diese positive Rendite insbesondere durch geringere Arbeitslosigkeit in Form von höheren Einnahmen bei der Einkommensteuer und niedrigere Ausgaben bei Sozialleistungen.
Der formalen Definition folgend ist die Kindergrundsicherung natürlich als Sozialleistung eine konsumtive Ausgabe. Wir müssen sie aber genau wie Bildungsausgaben als Zukunftsinvestition verstehen. Denn Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen hängen auch maßgeblich von den finanziellen Umständen ab, in denen sie aufwachsen. Das soziale, kulturelle und praktische Lernen finden unter erschwerten Bedingungen statt, wenn zu Hause das Geld fehlt für die Mitgliedschaft im Musik- oder Sportverein, für Ausflüge und Kulturveranstaltungen, ein eigenes Zimmer als Rückzugsort oder für gesundes Essen. Im Übrigen offenbart das konservative Narrativ, einkommensschwache Eltern würden eine Kindergelderhöhung in Alkohol und Zigaretten stecken, nicht nur ein bedenkliches Menschenbild, sondern ist empirisch widerlegt. Zusätzliches Geld kommt bei den Kindern an und starke Bildungsbiografien entstehen dann, wenn Kinder in anregenden Lernwelten aufwachsen.
Im scharfen Kontrast dazu seht die Kinderarmutsquote in Deutschland: Jedes fünfte Kind wächst in Armut auf – dieser Befund hält sich seit vielen Jahren hartnäckig. Das Versprechen auf Chancengerechtigkeit, Bildungsaufstieg und Teilhabe muss für alle Kinder im Land gelten. Es ist eine Frage der Fairness. Auch der Kanzler hat das Versprechen im Wahlkampf gegeben und man findet es in den Programmen und Reden von Politiker*innen aller Couleur. Die FDP tut sich dabei hervor: In ihrem letzten Wahlprogramm kommen Begriffe wie Aufstiegschancen oder –möglichkeiten allein zehnmal vor.
Dazu kommt, dass wir es uns als Gesellschaft schlichtweg nicht leisten können, einem Fünftel der jungen Generation gute Startchancen zu verwehren. Durch weniger Armut steigen die individuellen Chancen für einen besseren Schul- und Bildungsabschluss und damit für bessere Wege in die Arbeitswelt und mehr dringend benötigte Fachkräfte. Eine grundlegende Reform unserer Familienförderung ist auch deshalb überfällig.
Die abschließende Frage, ob der Staat sich eine armutsfeste Kindergrundsicherung auch kurzfristig leisten kann, ist leicht zu beantworten solange klimaschädliche Subventionen in Milliardenhöhe weiterhin unverändert in Kraft sind. Es ist schlichtweg eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Diese Zukunftsinvestition, die zur Chancengerechtigkeit von Millionen Kindern und zum Wohlstand der gesamten Gesellschaft beitragen wird, muss dabei ganz oben stehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Generationengerechtigkeit angesichts von Milliardenzuschüssen bei Renten- und Pflegeversicherung und der Klimakrise bereits gehörig in Schieflage ist.