Persönliche Erklärung zum Sicherheitspaket

Published by Judith Bach on

Berlin, 18.10.2024

Persönliche Erklärung des Abgeordneten Bruno Hönel nach § 31 GO-BT zum Abstimmungsverhalten beim Tagesordnungspunkt ZP7 und ZP8 Innere Sicherheit, Asyl und Terrorismusbekämpfung (zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems (20/12805) sowie zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung (20/12806) am 18. Oktober 2024

Der Terroranschlag in Solingen hat das gesamte Land genauso wie mich zutiefst erschüttert. Ich finde es wichtig und richtig, dass wir Maßnahmen ergreifen, um alle Bürgerinnen und Bürger vor Terrorismus zu schützen und Terroranschläge mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten zu bekämpfen. Das Sicherheitspaket soll durch erweiterte Befugnisse für Sicherheitsbehörden, neue Regelungen für Dublin-Fälle und eine Reform des Waffenrechts dafür sorgen.

Viele Punkte des Sicherheitspakets sehe ich sehr kritisch. Der wichtigste Punkt in aktuellen Debatten für mich persönlich ist, eine Vermischung der Begriffe Asyl, Migration und Terrorismus zu vermeiden. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, Menschen, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen und Karriere machen, sind keine Terroristen. Eine Versachlichung der Debatte und die Konzentration auf dringende Probleme, insbesondere Prävention von Radikalisierung online und offline, wird durch das Sicherheitspaket nicht erreicht.

Dass es in Deutschland viele Kommunen gibt, die mit der Unterbringung und Integration von Asylbewerbern überlastet sind und Handlungsbedarf besteht, steht außer Frage. Es wäre richtig, die Kommunen bei diesen Aufgaben finanziell besser zu unterstützen. Es wäre geboten, Arbeitsverbote abzubauen und Arbeitsanreize zu schaffen, vollwertige ausländische Abschlüsse einfacher anzuerkennen und ganz grundsätzlich Fluchtursachen einzudämmen. In einigen dieser Bereiche hat die amtierende Bundesregierung Fortschritte erreicht, doch für wirklich durchschlagende Verbesserungen stehen die Einwände des Finanzministers sowie der Unionsfraktion im Bundestag bei der notwendigen Reform der Schuldenbremse entgegen.

Irreguläre Migration – also Flucht – lässt sich nur reduzieren, wenn wir reguläre Fluchtwege schaffen. Damit würden wir auch für die Kommunen Planbarkeit herstellen und durch bessere Verteilung entlasten. Das Sicherheitspaket ist an dieser Stelle keine Hilfe und wird die Belastung der Kommunen voraussichtlich nicht verringern. Der Regierungsentwurf war an zahlreichen Stellen verfassungs- und europarechtswidrig. Die Ampel-Fraktionen haben in den wesentlichen Stellen nachgebessert. Er enthält trotzdem sehr wahrscheinlich Teile, die einer Verfassungsprüfung nicht standhalten dürften.

Die Kürzungen von Asylleistungen bei unklarem Aufenthaltstitel oder bestätigter Ausreisepflicht in Fällen, die unter die Dublin-Regelung fallen, wie derzeit im Sicherheitspaket beschrieben, erfüllen diese Ansprüche nicht. Eine freiwillige Ausreise ist für die Betroffenen nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich. Es ist aber bekannt, dass Abschiebungen oft erst nach Monaten möglich sind und auch an der Verweigerung der Aufnahme durch andere Staaten scheitern können. Ein vollständiger Leistungsausschluss während dieser Zeit ist nicht nur möglicherweise verfassungswidrig, sondern belastet die Kommunen mehr als es bereits der Fall ist. Es besteht die Gefahr, dass sich mehr Menschen für einen längeren Zeitraum in Notunterkünften aufhalten oder obdachlos werden. Es muss hier sichergestellt werden, dass ausreichend Unterstützung gewährleistet wird, um ein solches Szenario zu vermeiden.

Den neu eingeführten biometrischen Internetabgleich sehe ich ebenfalls kritisch. Nicht nur, weil er im Gegensatz zur KI-Verordnung der EU steht, sondern weil durch die erweiterten Befugnisse für die Bundespolizei, das BKA und BAMF Racial Profiling durch stereotypisierte Verdächtigungen von Personengruppen mit (vermeintlichem) Migrationshintergrund verstärkt werden könnte. Auch für Personen, die davon nicht betroffen sind, empfinde ich die geplanten Maßnahmen zu automatischen Bilderfassung und -abgleich als einen erheblichen Einschnitt in ihre Persönlichkeitsrechte. Die Teilnahme an Demonstrationen, Volksfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen wird dadurch gefährdet. Das BAMF ist in Zusammenarbeit mit dem BKA und der Bundespolizei meiner Auffassung nach verpflichtet, einen konkreten Plan vorzulegen, wie eine derartige Überwachung von Personen nur bei schwerwiegenden Fällen und ohne die Nutzung kommerzieller Anbieter von aktuell illegalen Datenbanken möglich ist. Im Hinblick darauf begrüße ich die Kontrollrechte, welche der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationssicherheit zugestanden wurden, und vertraue darauf, dass diese Kontrollfunktion zum Schutze der Persönlichkeitsrechte aller sich in Deutschland aufhaltenden Personen entsprechend genutzt wird.

Es muss ebenfalls klarer definiert werden, welche Gründe einen Datenabgleich rechtfertigen, um den Missbrauch dieser erweiterten Kontrollbefugnisse durch undemokratische Parteien auf Landes- und Bundesebene zu verhindern.

Bezüglich der Reform des Waffenrechts hat die Koalition einige bemerkenswerte Fortschritte erreicht, insbesondere durch Beschränkungen im Zugang zu Waffen für Verfassungsfeinde. Es gibt weiterhin bürgerrechtliche Bedenken meinerseits zur Ausweitung der Rechte zur Durchsuchung von Personen nach Waffen. Die Beschränkung von anlasslosen Kontrollen auf extra dafür ausgewiesene Zonen befürworte ich. Ähnlich wie beim digitalen Datenabgleich muss aber aktiv Racial Profiling entgegengewirkt werden. Es liegt in der Verantwortung der Polizei, Mitarbeitende hier entsprechend zu schulen und die Reform nicht als Grundlage für willkürliche Durchsuchungen auszunutzen.

Das Sicherheitspaket ist in seiner Art sehr komplex und kann von verschiedenen Akteuren unterschiedlich ausgelegt werden. Ich habe mich nach gründlicher Abwägung der zuvor aufgeführten Gründe dennoch dazu entschieden, für das Sicherheitspaket zu stimmen. Insbesondere die Gefährdung des Fortbestehens der Koalition hat mich zu diesem Schritt veranlasst, die erreichten Verbesserungen des Regierungsentwurfes stützen diese Entscheidung. Eine verfassungskonforme Auslegung durch die zuständigen Behörden halte ich, wie bereits beschrieben, für möglich und hoffe auf ein baldiges Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes sowie, dass der Europäische Gerichtshof in unklaren Punkten schnell für Rechtssicherheit sorgt. Es muss auch allen Verantwortlichen klar sein, dass Debatten über Migration durch diese Maßnahme nicht beendet werden und damit eine Grundlage für zukünftige, potenziell noch weiterführende Maßnahmen gelegt wird. Hier endlich wieder zu einer sachorientierten und vernünftigen Debatte zurückzukehren, sehe ich als Verantwortung aller Beteiligten.